Sinnvolle Maßnahmen zur Zuchtauslese

Vorab möchte ich daran erinnern, dass unvollständiges Fell (Langhaar ohne Furnishings) keine Krankheit ist, dem Hund keine Schmerzen oder Nachteile bereitet und ihm in keiner Weise Schaden zufügt.

Aus diesem Grund sollten Untersuchungen der Zuchthunde auf erbliche Erkrankungen wie die Patellaluxation und erbliche Augenerkrankungen Vorrang haben. Es nutzt der Erhaltung und Förderung der Rassegesundheit rein gar nichts, wenn jeder Hund in der Zucht bzgl. Furnishing (Bart- und Augenbrauen) genotypisiert ist, aber z. B. eine Untersuchung der Augen inkl. Gonioskopie nicht vorgenommen wird.

 

Ist es sinnvoll zu fordern, dass jeder Bolonka, mit dem gezüchtet wird, auf das Furnishing-Gen getestet werden soll?

 

Nein, es muss sicher nicht jeder Bolonka, der in der Zucht ist, auf Furnishing getestet werden, weil das unvollständige Fell keine nachteiligen Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlergehen des Hundes hat. Auch der Charakter des Hundes ist nicht an das Furnishing-Gen gekoppelt. Es geht ausschließlich um ein Schönheitsideal, das eingehalten werden soll.

Da dieses Schönheitsideal jedoch ebenfalls ein Rassemerkmal darstellt, ist ein Gentest zumindest dann angebracht, wenn ein Verwandter des Hundes anhand von Nachzuchten oder durch einen vorliegenden Gentest bereits gezeigt hat, dass er nicht homozygot (reinerbig) für das Furnishing ist.

An dieser Stelle wird deutlich, dass sinnvolles Testen auch mit der Offenheit der Züchter einhergeht. Werden Informationen nicht weiter gegeben, wird der eine oder andere Bolonka evtl. nicht getestet, bei dem es aber angebracht wäre - das Nachsehen hat im Falle des Falles der Züchter. Fairplay den Züchterkollegen gegenüber und aktives Mitwirken am Voranbringen der Rasse liegt eben nicht unter dem Deckmantel des Schweigens.

 

Absolut überflüssig ist ein Gentest auf Furnishing bei einem Bolonka, dessen Eltern nachweislich homozygot (reinerbig) für Furnishing sind. Zwei Hunde mit dem Genotypen F/F können gemeinsam ausschließlich Nachwuchs bringen, der ebenfalls den Genotypen F/F besitzt.

 

Ist es sinnvoll, jeden Bolonka, der lediglich heterozygot (mischerbig) für Furnishing ist (Testergebnis N/F) aus der Zucht zu nehmen?

 

Auch hier ein klares NEIN! Jeder Hund, der für die Zucht verloren geht, bedeutet Verlust von Genvarianten für die künftige Rassepopulation. Genvielfalt aber ist das A und O für die Gesunderhaltung einer Rasse.

Warum sollen alle Gene eines für Furnishing mischerbigen Bolonka aufgegeben werden, nur um dieses eine einzige, nicht schädliche Allel abzuschütteln?

Gleichzeitig ist aus genau dem Grund der Erhaltung der genetischen Vielfalt in der Rassehundezucht üblich, dass bei einer rezessiv vererbten Krankheit innerhalb einer Rasse sogar mit Hunden gezüchtet werden darf, die Träger des Defektallels sind, das die Erbkrankheit verursacht, wenn es homozygot (reinerbig, also doppelt) auftritt. Alles natürlich unter der Voraussetzung, dass ein Gentest existiert und abgesichert keine zwei Anlageträger miteinander verpaart werden, um somit kranke Welpen auszuschließen.

Soll ein für die Ausprägung der Fellvariante zuständiges Allel also schlimmer sein als ein Allel, das eine Krankheit hervorruft? Wohl kaum.

Sinnvolle Maßnahmen zur Zuchtauslese sind, sich als Züchter zu informieren und gleichzeitig Informationen weiter zu geben, festzuhalten, welche Bolonka am Genort für Furnishing nicht homozygot (reinerbig) sind und anhand dessen gezielt für deren Verwandtschaft Gentests einzusetzen.

Auf diesem Wege können Verpaarungen geplant werden, die eine Wahrscheinlichkeit für Welpen mit unvollständigem Fell klein halten.

Tanzt unerwartet doch mal wieder ein Welpe aus der Reihe, sollte man sich weder ärgern noch schämen, sondern dies als wertvollen Hinweis betrachten, welche weiteren Hunde evtl. noch einem Gentest unterzogen werden sollten.

 

Während die Verpaarung eines für Furnishing heterozygoten (mischerbigen) Bolonka mit einem für Furnishing homozygotem (reinerbigem) Bolonka kein Problem darstellt, weil regulär keine Welpen ohne Furnishingmerkmale fallen können (1), sind Bolonka mit unvollständigem Fell tatsächlich aus der Zucht auszuschließen. Sie würden zwar mit einem für Furnishing reinerbigen Partner ebenfalls ausschließlich Welpen mit vollständigem Fell bringen, aber diese Welpen wären ohne Ausnahme alle samt wieder Träger des Normalgens. Ein solches züchterisches Vorgehen würde bedeuten, das unerwünschte Gen in der Population zu stark anzuhäufen.

--------------------------

(1) Anmerkung: Erfahrungen und Beobachtungen von Züchtern haben gezeigt, dass bei Bolonka, die am Genort für das Furnishing heterozygot sind, die Merkmale des Furnishing durchaus schwächer ausgeprägt sein können. Dieses Phänomen tritt in unterschiedlicher Weise auf. Während man manchen Bolonka die Heterozygotie nicht ansehen kann, zeigen einige kleine Mängel im Fell, andere sind gar auffallend anders im Fellaufbau.

Ist das Furnishing nur unvollständig dominant oder wird seine Ausprägung von anderen Faktoren gemindert oder verstärkt? Spielt die Felldichte (Entwicklung der Unterwolle) eine Rolle? Ist ein weiterer Genort für Langhaarigkeit von Bedeutung?

 

Um noch einmal auf den Stellenwert des unvollständigen Fells einzugehen und ein wenig abzuschweifen:

Bevor man sich unverhältnismäßig stark über einen Bolonka, dem das Furnishing fehlt, ärgert, darf man sich vielleicht sogar einmal ganz vorsichtig fragen, ob es dem Wohlbefinden eines Bolonka nicht gar zuträglich ist, auf dieses viele Fell speziell im Bereich der Augen, der Nase, der Schnauze, des Afters sowie zwischen den Pfoten zu verzichten? Ganz zu schweigen von den Wuschelhunden, die mangels oder aufgrund falscher Pflege massiv verfilzen, sodass an deren Haut kaum noch Luft kommen kann und diese darum zu schuppen beginnt.

Wir dürfen einfach nicht vergessen, dass es hier nur um ein von Menschen kreiertes Schönheitsideal geht, das wir erreichen, indem wir zu den bereits vorhandenen Mutationen bzgl. der Fellbeschaffenheit noch eine weitere hinzufügen.

Gleichzeitig ist zu beobachten, dass kaum ein Halter eines Bolonka und auch nicht jeder Züchter, die vom Standard gewünschte Haarpracht bestehen lässt. Ein ganz großer Teil der Bolonka wird regelmäßig kurz geschnitten. Nicht nur, weil viele meinen, der Hund fühle sich dann wohler, sondern auch, weil auf dem Wege für den Besitzer die Fellpflege wesentlich bequemer, eben einfacher ist.

 

Warum möchten wir trotzdem nicht auf dieses Haarkleid verzichten, obwohl es dem Hund keinerlei Vorteile bringt und es für uns so pflegeintensiv ist?

Nun, weil es eben das Markenzeichen der Rasse ist, weil uns eine lange Lockenpracht begeistert und weil gerade die Gesichtsbehaarung den niedlichen Ausdruck hervorruft.

Zudem erspart dem Besitzer das Langhaar mit Furnishings den halbjährlichen Fellwechsel, währenddessen sich die Besitzer anderer Hunderassen manchmal vor Hundehaaren in Haus und Wohnung kaum noch retten können. Der ausbleibende Fellwechsel hat zwar in der Pflege seine Konsequenzen, doch das ist ein Thema, das evtl. später einmal aufgegriffen werden kann.